Kaffee und Wein: über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Die Bewegung “Specialty Coffee”, die sogenannte “Dritte Welle”, über die man immer mehr auch bei uns in Italien spricht, würdigt den Kaffee als kunstvolles, handgemachtes Produkt. Die hervorragende Qualität in all ihren Facetten soll durch die gesamte Produktion hindurch beibehalten werden, von der Farm bis zur fertigen Tasse Kaffee.
Auch wir versuchen auf unserem Blog, in unseren Kursen und in unseren Bars dieses Konzept aufrechtzuerhalten, zugegeben nicht immer ganz ohne Schwierigkeiten. Der Kunde ist es gewöhnt seinen Espresso wie eine Art Medizin um sich wach zu halten zu trinken, ohne dabei die faszinierenden Unterschiede in der Welt des Kaffees Wert zu schätzen.
Zum besseren Verständnis bezieht man sich oft auf den Anbau und die Produktion von Wein: ein Getränk, das in den letzten Jahren einen enormen Fortschritt gemacht hat, wenn es darum geht das Wissen um aromatische Qualität, die jede Flasche schenken kann, zu erweitern und bewusst zu machen. Dies kommt den Profis auf diesem Gebiet zugute, genauso wie den Endkunden, die immer anspruchsvoller und fachkundiger werden.
Sommellier-Kurse, geführte Wein-Kostproben, Wein-Bars oder ortsgebundene Verkaufsförderung wie „offene Weinkeller“ haben dazu beigetragen das Bewusstsein in der Bevölkerung verstärkt, dass es nicht nur Weißwein oder Rotwein gibt.
Diese Entwicklung in der Welt des Kaffees, vor allem in Italien, ist der erste Schritt. Das Lernen und das Bescheid wissen über das Produkt sind Dinge, die jeder Profi in erster Linie wissen muss, um dem Verbraucher das Wissen über die Qualität von jeder Tasse vermitteln zu können. Die neue Generation der Barista ist gut ausgebildet und geschult und kann die verschiedensten Variationen von Kaffee, gemischt oder pur, sowie die diversen Verarbeitungsmethoden anbieten und etwas darüber erzählen. Dank dieser Tatsache können Kunden auf Nachfrage einen Blick in die Kaffee-Karte werfen, ganz ähnlich wie in die Wein-Karte.
Selbstverständlich stammen beide Getränke von einer Pflanze: die Weintraube und die Drupa (oder auch Kaffee-Kirsche) sind nichts anderes als die Früchte der Weinrebe oder des Kaffeestrauchs und ihr Anbau ist eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft.
Beim Kaffee gibt es eine große Anzahl an verschiedenen Sorten (Bourbon, Typica, Caturra, Catuai, SI28, …), genauso wie beim Wein die Rebsorten (Sangiovese, Malvasia, Ribolla, Pinot, Merlot, …), wobei sich jede im Geschmack von der anderen unterscheidet.
Die aromatischen Charakteristika und der Geschmack hängen sowohl beim Kaffee, als auch beim Wein, von der Höhe, dem Klima und vom Boden ab, auf denen die Kaffee- oder Weinpflanzen wachsen. So kann es passieren, dass zwar die selbe Züchtung, die allerdings in zwei verschiedenen Regionen auf unserem Planeten angebaut wird, ganz verschiedene Ergebnisse liefert: eine fertige Tasse Bourbon aus Brasilien liefert ein ganz anderes Geschmackserleben, als afrikanischer Bourbon, der zum Beispiel in Burundi angebaut wird. Genauso unterscheidet sich ein Chardonnay aus dem Friaul stark von einem, der aus Sizilien stammt, was sich trotzdem beides auf der italienischen Halbinsel befindet. Die Wein-Hersteller benutzen das Wort „terroir“, um zu beschreiben, wie sich dieses Phänomen auf das Anbauen auswirkt, was genauso gut für den Kaffee anwendbar ist.
Das Etikett von eines Specialty Coffee ähnelt dem eines guten Weins: Name des Betriebs, Herkunftsgebiet, Sorte, Anbauhöhe und eventuelle Zertifikationen (Bio, Fair Trade, Utz, …) und nicht zuletzt die Geschmacksbeschreibung, welche unentbehrlich ist, um dem Kunden seine Wahl zu erleichtern.
Zum Thema Verarbeitung der Drupen: die natürliche Methode kann man vergleichen mit der zum Anbau des Rotweins. Dabei wird die Schale der Traube während der Gärung im Most gelassen. Nicht umsonst sind die auf natürliche Weise angebauten Kaffeesorten oft viel süßer, fruchtiger und runder. Die Methode der Waschung, die dem Kaffee mehr Frische und Säure verleiht, kann dagegen der ähneln, die für den Weißwein verwendet wird: dabei wird die Schale sofort aussortiert, bzw. während der Gärung entfernt. Fügen wir noch dazu, dass der Australier Sasa Sestic den Titel Campione Mondiale Baristi gewonnen hat, dank eines Kaffees zubereitet durch die „Macerazione Carbonica“, so wie der italienische „Vino Novello“…
Und wie sieht es mit der Verkostung aus? Nun, auch dieser Prozess ist quasi identisch. Die Kaffee-Verkoster nutzen die gleiche Methode wie die Sommeliers beim Wein, um die Charakteristika der Getränke feststellen zu können.
Man schwenkt das Getränk im Glas oder in der Tasse, um die Flüssigkeit einem größeren Anteil an Sauerstoff auszusetzen. Das ist essentiell, damit sich alle Geschmacksnoten bestmöglich entfalten können.
Man hält die Nase ans Glas oder an die Tasse und atmet tief ein, um alle Aromen wahrzunehmen.
Man “saugt” einen kleinen Schluck des Getränks auf, wobei man versucht das Getränk erneut mit Sauerstoff anzureichern, um die Geschmäcker optimal austreten zu lassen.
Man spuckt aus, um den übermäßigen Konsum von Alkohol oder Koffein zu vermeiden.
Vermutlich kann man für jedes Wort zur Beschreibung von Wein einen Kaffee finden, der diesen Aromen entspricht: Schokoladig, fruchtig, würzig, blumig, nussig, grasig, sauer, süß, …