Zeitreise: Der Preis für Espresso von 1945 bis heute

„Früher kostete Kaffee so viel wie die Zeitung.“ – ein Satz, den man in Cafés oder beim Diskutieren mit Freunden häufig hört. Aber stimmt das denn auch wirklich? Das wollen wir auf einer Zeitreise durch die italienische Geschichte herausfinden. Der Kaffeepreis ist aktuell ein sehr sensibles Thema, das sich aufgrund der ständig steigenden Energie- und Rohstoffpreise verschärft.

Ob ein Kaffee nun viel oder wenig kostet, ist schwer zu sagen, denn nach welchen Kriterien soll man das beurteilen? Gerade in Italien ist einer der am häufigsten gezogenen Vergleiche der zum Preis für eine Zeitung. Früher glaubte man, dass dieser in Verbindung mit dem Preis für einen Espresso an der Bar stand und dass die Erhöhung des einen Preises die Erhöhung des anderen mit sich bringe.

Der Grund für diese Annahme ist allerdings nicht ganz gerechtfertigt, denn für ein Unternehmen gibt es viele andere Beweggründe für die Entscheidung über den Preis eines Produkts. Da wären zum Beispiel der Rohstoffpreis, der Wettbewerb, die Marktsituation sowie viele weitere Gründe. Dies waren nur einige wenige Aspekte, die Einfluss auf den Preis haben können. Mit dem Preis einer Zeitung heute oder gestern haben diese allerdings wenig zu tun…

Aber offensichtlich gab es in der italienischen Vergangenheit einmal eine Zeit, in der der Preis für einen Espresso und eine Zeitung gleich war.  In diesem Video der Rubrik „Aprire un bar“ haben wir versucht, diesen Phänomen nachzuvollziehen und haben die Preise für Espresso und Zeitungen von 1945 bis heute analysiert. Und nicht nur das: Anhand verschiedener historischer Quellen konnten wir ein durchschnittliches Gehalt zu bestimmten Zeitpunkten ermitteln und auch berechnen, wie viele Kaffees ein durchschnittlicher Arbeiter pro Tag trinken konnte.

Kaffee in der Nachkriegszeit

Direkt nach dem zweiten Weltkrieg, kostete eine Zeitung etwa fünfmal weniger als ein Espresso. Dies ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: Zum einen existierte noch keinen Massenkonsum von Espresso in Cafés, außerdem war die Technologie der Kaffeemaschinen noch eher rückständig (zum Großteil wurden noch Maschinen mit Dampf in den Bars verwendet). Des Weiteren galt die Zeitung als primäres Gut: Die einzige Informationsquelle für alle, die informiert bleiben wollten und, nicht zu vergessen, natürlich auch ein mächtiges Instrument zur politischen Meinungsmache (in Italien zum Beispiel durch Zeitungen wie L’unità oder L’avanti). Ein kurzer Vergleich zeigt, dass der Preis für die berühmten zwei Espressi pro Tag am Monatsende etwa 11% des damaligen Durchschnittslohns entsprachen. Kaffee war somit also ein Luxusgut, das sich nur wenige leisten konnten.

Der wirtschaftliche Aufschwung

Schauen wir als nächstes auf die Mitte der 1960er Jahre zurück, dem Höhepunkt des wirtschaftlichen Aufschwungs. Denn hier ist der niedrigste Wert in der Geschichte des Verhältnisses Zeitung/Kaffee zu finden: Die Löhne stiegen, der Wohlstand breitete sich in der Bevölkerung aus, allerdings stieg der Preis für Kaffee kaum, während der Preis für bedrucktes Papier steigt und eine Differenz von nur noch 10 Lire erreicht. Die vorhin bereits angesprochenen 60 Espressi pro Monat entsprechen nunmehr nur noch 4,9% eines durchschnittlichen Gehalts zu dieser Zeit.

In den 70er Jahren, zum ersten Mal in der Reise durch die italienische Geschichte, war der Preis für Kaffee und Zeitung gleich: 70 Lire.

Die 1980er Jahre

Die Inflation erreicht in Italien dramatische Ausmaße und erreicht knappe 20%. In einigen Ländern der Welt gelingt es, die Gehälter zu erhöhen, um die steigenden Lebenshaltungskosten aufzufangen, wodurch sich die Preise der beiden von uns betrachteten Produkte im Vergleich zu den Vorjahren verdoppeln. Dies führte dazu, dass die Tageszeitung noch mehr kostete als der Kaffee an der Bar.

Die 1990er Jahre

Gehälter steigen auf durchschnittlich über eine Million Lire. Genauso steigen natürlich auch die Preise für unsere beiden Vergleichsobjekte: Eine Zeitung kostet jetzt etwa 1.200 Lire, ein Espresso etwa 700. Gedruckte Informationen kosten also quasi das doppelte im Vergleich zum Kaffee. Der Preis für täglich zwei Espresso wirkt sich immer weniger auf das Durchschnittsgehalt aus und liegt bei nur noch etwa 3,82% – der niedrigste Wert in der Geschichte. Im Jahr 1995 jedoch aus der Traum: In der zweiten Hälfte der 90er Jahre machte der Kaffeepreis einen gewaltigen Sprung nach oben (137 % im Vergleich zum Vorjahr 1994), was vor allem auf Preiserhöhungen in den Ursprungsländern und einige klimatisch ungünstige Jahrgänge zurückzuführen war. Im Vergleich zum Beginn des Jahrzehnts verdoppelte sich der Preis also nahezu.

Die 2000er Jahre, die Einführung des Euro und heute

In der heutigen Zeit steigen die Löhne und Gehälter weiter, der Preis für eine Zeitung, der sich Anfang der 2000er Jahre bei etwa 1 Euro eingependelt hatte, liegt heute in Italien bei durchschnittlich 1,40 Euro, während der Preis für einen Espresso mit 1 Euro ziemlich stabil geblieben ist. Dies wirkt sich immer weniger auf die monatlichen Kosten des Zeitreisenden aus, der die letzten 70 Jahre italienischer Geschichte mit zwei Kaffees pro Tag durchlebt hat.

Unser Fazit zur Zeitreise

Der Preis von Espresso und Zeitung waren bis auf eine kurze Zeit nie aneinander angeglichen. Anfangs war Kaffee in echtes Luxusgut, ganz im Gegenteil zur Zeitung. Das hat sich im Laufe der Zeit geändert, in der der Preis für Informationen immer mehr im Vergleich zu dem für Kaffee gestiegen ist. Man beachte auch, dass es sich hier um zwei völlig verschiedene Produkte handelt, die nur schwer miteinander vergleichbar sind. Auf der einen Seite hat sich die Information im Laufe der Jahre stark verändert und musste sich einem starken Wettbewerb stellen. Man denke an die Internet-Revolution und wie sie sich auf die Welt der Kommunikation auswirkt. Ganz anders sieht es dagegen beim Espresso aus, der es mit einer großen und zersplitterten Konkurrenz zu tun hat, die oft nicht in der Lage ist, einen Mehrwert zu schaffen.  All diese Aspekte machen es sehr schwierig, den Preis für eine Zeitung mit dem für einen Espresso zu vergleichen. Und trotzdem: Im Gesprächen mit Freunden an der Bar, nach der Zeitungslektüre und einem Espresso, kommt es immer wieder vor.