Gabriele Cortopassi im Interview

„Kaffee ist, vor allem in Italien, ein kleines Ritual. Oft konzentrieren wir uns daher mehr auf das Ritual an sich, als auf den Kaffee, den wir trinken…“

Gabriele Cortopassi, langjähriger Restaurantmanager und Berater in der Branche, arbeitet seit 2006 mit der Rösterei Mokaflor zusammen. Hier fungiert er als Trainer in unserer Espresso Academy und als Projektmanager für die Chiaroscuro-Kaffeehaus Kette. Außerdem ist er Gründer des Blogs aprireunbar.com und Autor des Handbuchs „Aprire e gestire un bar“ (dt. „Ein Lokal eröffnen und führen“). Wir haben ihn gebeten, uns von seiner jahrzehntelangen Erfahrung zu erzählen: von seiner Vision, die ihn bei seiner täglichen Arbeit begleitet und wie sich, seiner Meinung nach, die Kultur rund um diesen „Ritus“ des Kaffee verändert.

Gabriele, Dein Name ist in der Welt des Kaffees bekannt (Ausbildung, Beratung, …) – erklär doch bitte nochmal: Was genau machst Du bei Mokaflor?

Bei Mokaflor wurde mir von Anfang an die Möglichkeit gelassen, innovative Projekte voran zu treiben, wie zum Beispiel den Blog. Der ist mehr oder weniger zu dem Zeitpunkt entstanden, als ich in die Firma eintrat. Parallel dazu ist es uns gelungen, die Idee einer Schule, der Espresso Academy zu verwirklichen, die sich vom Durchschnitt der damaligen Zeit stark abhob. Einer Zeit, als eine echte Kaffeekultur noch in den Kinderschuhen steckte – man sprach nur von Arabica und Robusta – begannen wir, Kurse mit einem neuen Ansatz und zu einem erschwinglicheren Preis anzubieten, um den Menschen den Kaffee näher zu bringen und sie vor allem mit Qualitätskaffee bekannt zu machen.

Darüber hinaus habe ich im Laufe der Jahre für Mokaflor Projekte im Bereich der Kommunikation durchgeführt, bis ich vor kurzem die Leitung von Caffè Lab übernahm. Ein E-Commerce-Unternehmen, das sich vor allem, aber nicht nur, dem Qualitätskaffee widmet.

Die Espresso Academy ist eine Schule mit einer starken internationalen Ausrichtung. Kann man sagen, dass Du mit vielen Ländern der Welt zu tun hast?

Wir reisen viel, in der Regel auch selbst: An unseren Kursen und Beratungen nehmen vor allem Personen aus dem Ausland teil. In den letzten Jahren haben der Nahe und der Ferne Osten eine große Rolle gespielt, aber wir arbeiten auch in Ländern wie Lateinamerika, Mittelamerika und sogar in Afrika in Gebieten wie Kap Verde und Uganda. Das lässt uns erst verstehen, wie sehr der Konsum von Kaffee, aber auch die zugehörige Kaffeekultur, wächst. Diese Kollaborationen ermöglichen es, unsere Blickwinkel tagtäglich zu erweitern. Und unsere Aufgabe ist es, diesen täglich weiter auszubauen.

Gabriele Cortopassi im Interview

Auch Mokaflor hat einen sehr „kosmopolitischen“, internationalen Markenkern. Das sieht man an der Website und dem Produktkatalog…

Mokaflor ist eine Rösterei mit Geschichte. Gegründet in den 50er Jahren von der Familie Bernini, wird sie heute bereits von der dritten Generation geleitet. Es handelt sich um ein Unternehmen, das trotz seiner geringen Größe stets in der Lage war, vorausschauend zu handeln und Chancen erfolgreich zu ergreifen. Unter der Leitung von Andrea Bernini begann Mokaflor Ende der 90er Jahre über die Nachverfolgbarkeit von Qualitätskaffee zu sprechen. Zu der Zeit wurden gerade die ersten Chiaroscuro Produkte kreiert. Eine Produktlinie, die Kaffeesorten kennzeichnete, die wir heute als „Single Origin“ bezeichnen.

Ein für diese Zeit sehr innovatives Projekt: Aus der gleichen Linie entstand dann die Kaffeehauskette Chiaroscuro, die ebenfalls in vielen Ländern eröffnet wurde und eine Art Botschaft in Verbindung mit Qualitätskaffee vermittelte.

Außerdem gehört Mokaflor zu den ersten italienischen Firmen, die sich auch im Ausland engagierten. Eine Entscheidung, die Mokaflor heute zu einem der besten Unternehmen in der Branche gemacht hat, gemessen an Unternehmensgröße, Umsatz und Export.

Dank diesem internationalem Ansatz hast Du auch einen guten Vergleich, wie sich die Welt des Kaffees verändert. In welche Richtung geht es da?

Kaffee wurde schon immer in verschiedene Konsumbereiche unterteilt: Kaffee wird in der Regel entweder zu Hause, in der Bar oder aus dem Automaten getrunken. In den letzten Jahren hat jedoch eine Segmentierung stattgefunden, die sich nicht nur auf den Zeitpunkt des Konsums, sondern auch auf die Qualität bezieht.

Obwohl ich „Qualitätskaffee“ für einen etwas vagen und überstrapazierten Begriff halte, wird er jetzt konkreter: Das Phänomen „Specialty“, das Konzept des SCA-Scores, führt zu einer starken Konzentration auf Rückverfolgbarkeit. Auch in Italien gibt es immer mehr Unternehmen, die sich auf „Kaffee als Erlebnis“ spezialisiert haben, das heißt auf Kaffee, der eine Geschichte erzählt und mit einem Gebiet verbunden ist, was den Eindruck höherer Qualität vermittelt.

Eine Qualität, die sich sicherlich auf den Endpreis auswirkt. Dass der italienische Markt gegenüber der Welt des Specialty resistent ist, ist bekannt. Wie beurteilst Du diese Art der Entwicklung in unserem Land?

Wir müssen zunächst einmal den Mythos aufklären, dass der Markt für Specialty Kaffee vor allem im Ausland dominant ist. Natürlich ist er stark, vor allem in den angelsächsischen Ländern, aber wir überschätzen das oft. Ein Beispiel: Wenn wir Kaffee-Liebhaber nach London reisen, dann suchen wir genau nach diesen Specialty Coffee-Shops. Es gibt vielleicht 30 Cafés in London auf hohem Niveau und 3.000 auf sehr niedrigem. Aber wir besuchen die guten, die schlechten sehen wir nicht. Man kann also sagen, es kommt auf die Perspektive an…

In Italien ist Kaffee ein stark dienstleistungsorientiertes Produkt, das an Gewohnheiten gebunden ist, weshalb sich ein bestimmtes Konzept von Kaffee nur schwer durchsetzen kann. Wir sollten uns alle bemühen, den Kaffee in eine Zeit zu verlegen, in der wir bereit sind, neue Erfahrungen zu machen, auch wenn das vielleicht anstrengender ist als bei bekannten Produkten.

Auch der Preis hat einen Einfluss: In Italien sieht man Kaffee als reines Dienstleistungsprodukt, das mich in einem Moment des Innehaltens, in einer Pause, begleitet. Ein höherer Preis erscheint dann ungerechtfertigt, eine Art „Steuer auf die Pause“ und nicht als der richtige Aufschlag für mehr Qualität eines Produkts. Aber all das ändert sich, und jetzt gibt es endlich hochwertige Coffee Shops, die sich auf dem Markt durchzusetzen beginnen, vor allem in kleinen und mittelgroßen Städten!

Wahrscheinlich werden „Specialty Coffeeshops“ nie das Hauptsegment in diesem Markt werden. Aber sie werden dennoch einen immer größeren Raum einnehmen. Ich persönlich sehe ein zunehmendes Wachstum in einem Segment, das ich gerne als „Mittelweg“ bezeichne, in dem viele Betreiber, Baristas und Manager erkennen, dass sich der Kaffee verändert, und versuchen, etwas Neues anzubieten, ohne extreme Qualitätsansprüche zu stellen. Dies ist sicherlich das am schnellsten wachsende Segment des Marktes.

Ist Mokaflor auch auf dieses Marktsegment ausgerichtet?

Es gibt einige Bestseller, deren Qualität und die Tradition unbestritten sind, wie z.B. unsere Miscela Oro 80/20, die in Italien, aber auch im Ausland ein absoluter Verkaufsschlager ist. Andere Produkte, wie unsere beiden 100%igen Arabica-Mischungen, von denen die eine mehr auf mittelamerikanische Kaffeesorten ausgerichtet ist, die andere ist etwas süßer, sind auf den ausländischen Märkten sehr beliebt: Es handelt sich um Kaffees, die an die italienische Tradition des hochwertigen Espressos erinnern und daher ihren Anteil am Markt erobert haben. Aber die Welt verändert sich: Wir arbeiten mit Hochdruck an der Qualität „im modernen Sinne“. Der Erfolg von Café Lab, unserem Vorzeigeprojekt in der Welt des Qualitätskaffees, hat uns zum Beispiel dazu gebracht, eine große Auswahl an Specialty Coffees mit Bewertungen über 80 Punkten anzubieten, aber auch eine LAB 100-Mischung, die so etwas wie eine ideale Antwort auf die Nachfrage nach dem bereits erwähnten „Mittelweg“ ist, also für Coffee Shops, die wachsen oder die Qualitätskaffee anbieten wollen, ohne sich unbedingt ganz auf die Welt der Spezialitäten zu konzentrieren.

Ein umfassendes Angebot also. Wir haben mehr als 70 Angebote im Katalog gezählt, für einen Markt, der in diesem Segment zunehmend expandiert.

Wie uns das Internet lehrt, überlegen auch wir uns Zielgruppen, beschäftigen uns aber auch mit den Bedürfnisse jedes einzelnen Kunden. Flexibilität ist unser Schlüsselwort ist: Für viele Kunden stellen wir zum Beispiel Ad-hoc Mischungen her, die wir für sie und vor allem mit ihnen zusammen entwickeln. Wir machen Verkostungen, wir versuchen, die Leute den Original-Kaffee schmecken zu lassen, wir mischen verschiedene Sorten, um die ideale Mischung zu finden. Das Ergebnis ist einzigartig für jede Bar, die wie jedes Unternehmen auf dem Markt einzigartig sein muss und durch die Produkte, die sie anbietet, absolut einzigartige Werte bieten muss. Wir wenden den gleichen Ansatz bei der Verpackung an, mit einer gewissen grafischen Flexibilität, die es uns ermöglicht, für jeden Kunden eine maßgeschneiderte Verpackung zu erstellen, ohne zusätzliche Kosten.

Ein äußerst dynamisches Unternehmen, auch was die Kommunikation betrifft. Ändert sie sich so schnell wie das Produkt?

Absolut, ja. Wir alle merken, dass der Kanal „Video“ immer wichtiger wird. Wir arbeiten derzeit an zwei großen Videoprojekten, die hoffentlich sehr nützlich für diejenigen sein werden, die sich beruflich mit Kaffee beschäftigen. Ziel ist es, über die Rückverfolgbarkeit des Kaffees zu erzählen und somit über das Produkt und alle Schritte, die es durchläuft, zu informieren. Wir werden die Menschen – wenn auch virtuell – auf den Plantagen begleiten, ebenso wie wir sie bei der Eröffnung oder Reorganisation ihrer Kaffeebars in der Specialty Welt begleiten werden. Wir planen, bald mit diesen neuen Videos fertig zu sein.