Fair trade, seine Geschichten und Kontroversen

Beim Kauf von Lebensmitteln wird es für viele Verbraucher immer wichtiger, gewissen Richtlinien folgen zu können. Schon vor COVID-19 zeichnete sich ein deutlicher Trend in Richtung Bio und Fairtrade ab. 

 

Zum Thema Fairtrade gibt es allerdings auch zahlreiche Kontroversen und offene Fragen. Wir werfen heute einen Blick auf die Geschichte von Fairtrade, wie es überhaupt entstanden ist und was der Gründer von Fairtrade USA, Nico Roozen, zu dessen Zukunft zu sagen hat.

 

Die Geschichte des Fairtrade

Fair trade, seine Geschichten und Kontroversen
The Guardian Fotoarchiv, Oxfam 1959 The 60s

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründeten sich zahlreiche religiöse Bewegungen, die sich für faire Wertschöpfungsketten in Dritte-Welt-Ländern einsetzten. Zu Beginn lag der Fokus vor allem auf handgefertigten Produkten, die in Kirchen und auf Wohltätigkeitsveranstaltungen verkauft wurden. 

 

Während den 60er Jahren entwickelte sich die Fairtrade Bewegung weiter und wurde zu einer Art politischen Einstellung, die sich gegen den Imperialismus der Postkolonialzeit auflehnt. 1965 gründete sich Oxfam “Helping-by-selling”, die erste alternative Handelsbewegung. Im Zuge dessen begann auch ein Boom im Bereich des Fairtrade Kaffees, denn viele Menschen verkauften Bohnen aus Angola oder Nicaragua in Geschäften, Kirchen und wo immer sonst möglich.

Obwohl weltweite Bewegungen in der nördlichen Hemisphäre den Verkauf von Produkten aus fairem Handel in einzigartiger Weise unterstützen, bestand das Hauptproblem darin, dass diese Produkte nur lokal und in kleinen Geschäften erhältlich waren. 

 

Fairtrade International

Die Notwendigkeit, Fairtrade Produkte auch in die gängigen Verbraucher-Märkte zu bringen, erkannten der Niederländische Priester Frans van der Hoff und Nico Roozen. 1988 setzten sie die erste wesentliche Veränderung durch, als sie das erste Fairtrade-Zertifikat, genannt Max Havelaar, registrieren ließen.

Fair trade, seine Geschichten und Kontroversen

Nico Roozen und Frans Van der Hoff, die Gründer von Fairtrade International

Ihr Ziel war es, kleine Farmer mit einem beständigen Einkommen zu unterstützen, indem sie deren Kaffee zu Genossenschaften in den Herkunftsländern schickten und ihn über die niederländische Importfirma Van Weely weiter versendeten. Die beiden waren damit so erfolgreich, sodass sie beschlossen, ihren Handel auch auf andere Produkte wie Baumwolle, Kakao oder Zucker auszuweiten und Fairtrade International zu gründen, mit Produkten aus Südamerika, Afrika und Asien.

Nur viele Jahre später beschlossen die einzelnen nationalen fair trade Erfahrungen, darunter die niederländische von Roozen und Van der Hoff, ein internationales Netzwerk zu vereinheitlichen und aufzubauen.

1997 wurde Fairtrade International geboren und FAIRTRADE wurde zur eingetragenen Marke für Produkte, die uns allen bekannt sind.

Alle Produkte, die die Organisation zum Export listete, hatten bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen: Die Produktionsfläche durfte eine gewisse Größe nicht überschreiten und mindestens 20% der Produkte mussten aus Fairtrade-Produkten hergestellt werden.

Das hat sich allerdings geändert, als in den 90er Jahren Großkonzerne und -unternehmen auf die “Marktlücke” Fairtrade aufmerksam wurden, die zu diesem Zeitpunkt bereits über eine Millionen Landwirte vor der Armut rettete. Zusätzlich stieg der Konsum von Fairtrade Produkten jährlich um etwa 24%, was uns zu unserem nächsten Punkt bringt: Wo ist der Unterschied zwischen Fairtrade USA und Fairtrade International und warum wird immer stärkere Kritik an der Organisationsstruktur geübt? 

 

Fair trade USA und Fairtrade International

Im Jahr 2011 wurde beschlossen, Fairtrade USA (Nico Roozen) von Fairtrade International (Frans van der Hoff) zu trennen. Gründe für diese Entscheidung waren zum Beispiel unterschiedliche Strategien und Regelungen, um auch größere Betriebe mit einzubeziehen und um das Fairtrade-Zertifikat leichter zugänglich zu machen. Außerdem wurde der Prozentsatz der Fairtrade-zertifizierten Produkte zur Weiterverarbeitung von 20% auf 10% verringert. 

Der Umsatz boomte und erreichte sogar rund 70 Millionen US-Dollar, wobei fast 600 Mitarbeiter beschäftigt werden konnten. Zum Vergleich: 1989 erzielte Fairtrade International einen Umsatz von vier Millionen Dollar, es wurden sechs Mitarbeiter beschäftigt. 

 

Vorteile der neuen Strategie:

  •     Einfacherer Zugang für Großbetriebe 
  •     Steigerung der Nachfrage nach Fairtrade Produkten
  •     Niedrigere Preise für Fairtrade Produkte 
  •     Zwang für Großbetriebe, fair zu praktizieren 

Nachteile der Strategie:

  • Die Senkung der Fairtrade Parts in Produkten auf 10% erhöht den Wettbewerbsdruck für kleine Landwirtschaftsbetriebe 
  • Schlechte Regelungen der Gewinnspannen, die auf den Endpreis der Verbraucher und den Verdienst der Bauern angewandt werden
  • Mehr Vorteile für landwirtschaftliche Großbetriebe als für Kleinbauern 
  • Wenn Fairtrade-Preise wettbewerbsfähiger werden, steigen die Umsätze, was sich jedoch nicht auf die Armutsbekämpfung auswirkt
  • Niedrige Standards könnten aufgrund der Verbreitung neuer Fairtrade-Marken eintreten
  • Hersteller, die sich an der Fairtrade Bewegung beteiligen, sind nicht unbedingt arm, sondern diejenigen, die die Marktanforderungen treffen und sich die Zertifizierung leisten können. 

Fair trade, seine Geschichten und Kontroversengcrmag.com, Global Coffee Report, Nico Roozen

Interview mit dem Gründer von Fairtrade International

In einem Interview mit Global Coffee Report im Dezember 2019, spricht Nico Roozen über seine langjährige Erfahrung in der Welt des Fairtrade und was er mit der Zeit darüber gelernt hat.  

Im gleichen Interview erklärt er außerdem, dass das Hauptaugenmerk auf folgenden zwei Aspekten liege: ein anhaltend niedriger Kaffeepreis und “ein kleines Stück Kuchen für die Landwirte”. Die Märkte würde laut Roozen den Kaffeeanbau-Communities keine fairen Preise bieten. Das sei zwar ein bekanntes Problem, es gebe allerdings leider keine effektive Vorgehensweise, um dies zu ändern. Alle wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen für den Sektor könnten nicht gelöst werden, ohne den Bauern eine Kapitalrendite und ein existenzsicherndes Einkommen zu bieten.

Nach vielen Jahren der Zertifizierungen kommt er nun zu der Feststellung, dass „kontrollbasierte Systeme keine Zukunft haben, anreizbasierte Lösungen schon“. Deshalb unterstützt er die Idee, den Landwirten Prämien zu geben, die in die Struktur und die organisatorischen Aspekte ihres Betriebs und nicht in die Kontrolle ihrer Praktiken investiert werden sollen.

Das Hauptproblem liegt allerdings ganz am Ende der Wertschöpfungskette. Die meisten Verbraucher halten Fair Trade für eine sehr gute Sache. Und dennoch greifen viele beim Einkauf zu den konventionell hergestellten Produkten, anstatt Fair Trade zu unterstützen.

“Angesichts des Branchenwerts von 200 Milliarden US-Dollar wird weniger als 1 Prozent des gesamten Kaffeeumsatzes in die Steigerung der Nachhaltigkeit auf der Produktionsseite der Wertschöpfungskette investiert. Fünfzig Prozent der Nachhaltigkeitsbemühungen der Branche werden von den Verbrauchern durch die Prämien für zertifizierte Kaffees bezahlt. Rund 20 Prozent stammen aus Spendengeldern. Wir haben gesehen, wie der relative Anteil für den Bauern sowie der Kaffeepreis in absoluten Zahlen gesunken sind“, was weitgehend auf einen zu geringen Verbrauch, hohe Lagerbestände und spekulative Bewegungen zurückzuführen sei, sagt Roozen. (Global Coffee Report, gcrmag.com)

Unsere Meinung?

Trotz all der oben genannten Punkte haben wir immer noch einige Schwierigkeiten, uns für Fair Trade zu entscheiden. Wir glauben zwar an die Bedeutung von Fairness im Handel und an die Notwendigkeit einer transparenten Zusammenarbeit mit den Produzenten. Dennoch fragen wir uns aber oft, ob ein Siegel auf einem Produkt oder ein Zertifikat wirklich der einzige Weg sind, dies zu erreichen.

Hier bei Mokaflor arbeiten wir mit Importeuren und Händlern zusammen, die transparent mit ihrer Wertschöpfungskette umgehen. Wir sind des Weiteren davon überzeugt, dass direkte Beziehungen eine große Bedeutung haben können. Deshalb legen wir Wert darauf, Kaffee von kleineren und qualitativ hochwertigen Importeuren zu beziehen. Zum Beispiel von Kamba Coffee mit Sitz in London (Import von ausgewählten Sorten kleiner Farmen in Brasilien und Äthiopien) oder von the 7 Elements mit Hauptsitz in Amsterdam (Permakultur-Projekt in Peru) und mit Plantagen in Oxapampa.

Mit der Entwicklung neuer Technologien und Kommunikationsmittel wie zum Beispiel der iFinca App , die kürzlich gelauncht wurde, um die Landwirte mit der gesamten Kaffee-Wertschöpfungskette zu verknüpfen, wird die Kommunikation mit den Produzenten hoffentlich selbst in den entlegensten Kaffeeregionen der Welt einfacher. 

 

Die Verantwortung der Verbraucher

Ein für uns ganz wichtiger Part ist es, auch unsere Kunden zu informieren. Nur wenn diejenigen, die am Ende den Kaffee kaufen, den Unterschied zwischen hoher und niedriger Qualität kennen, werden sie auch bereit dazu sein einen höheren Preis zu bezahlen. 

Neben unseren Verpackungen, der Website und unseren Social Media Kanälen versuchen wir auch die Espresso Academy  zu nutzen, um diese Prinzipien zu vermitteln. Unsere Trainer lernen den Kursteilnehmern dort, worauf es zu achten gilt. Und das nicht nur in Bezug auf Geschmack…

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